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02. Juni 2025

Muss sich ein freigestellter Arbeitnehmer während des Laufs der Kündigungsfrist um eine neue Anstellung bemühen?

Wenn ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer ordentlich kündigt und den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit freistellt, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig iSd. § 615 Satz 2 BGB anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht, so das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12. Februar 2025 (Aktenzeichen 5 AZR 127/24).

Im vom BAG zu beurteilenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem seit November 2019 beschäftigten Arbeitnehmer mit Schreiben vom 29. März 2023 ordentlich zum 30. Juni 2023 gekündigt. Zudem stellte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer und unter Einbringung von Resturlaub unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. 
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Arbeitnehmer Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Der Arbeitgeber übersandte schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote an den Arbeitnehmer, die nach ihrer Einschätzung für diesen in Betracht gekommen wären. Auf sieben davon bewarb sich der Arbeitnehmer, allerdings erst ab Ende Juni 2023. 

Nachdem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, machte der Arbeitnehmer den Vergütungsanspruch klagweise geltend. Der Arbeitgeber beantragte Klageabweisung beantragt und wendete ein, der Arbeitnehmer sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 nach § 615 Satz 2 BGB fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des beim Arbeitgeber bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Arbeitnehmers hatte das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision des Arbeitgebers blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. 

Das BAG stellte fest, dass sich der Arbeitgeber sich aufgrund der von ihm einseitig erklärten Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug befand und dem Arbeitnehmer nach § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611a Abs. 2 BGB die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist schuldete. Der Arbeitnehmer müsse sich nicht erzielten anderweitigen Verdienst muss nicht nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil ist nach Ansicht des BAG nur gerechtfertigt, wenn dieser wider Treu und Glauben (§ 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 Satz 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden. Der Arbeitgeber habe, so das BAG, nicht dargelegt, dass ihm die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Klägers unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich darüber nachzudenken, ob Arbeitnehmer während der laufenden Kündigungsfrist von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt werden.

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